Grüezi-Schrottimmobilien-Prozess, 11. Verhandlungstag
Stand: 22.06.2015
Grüezi-Schrottimmobilien-Prozess (11. Verhandlungstag)! – Kontroversen zwischen Verteidigung und Staatsanwaltschaft – Verteidigerantrag abgelehnt! – Schuldfähigkeitsbegutachtung!
Verhandlungstag 11 stand auf dem Terminplan der Großen Strafkammer und alle Verfahrensbeteiligten hatten sich zum zweiten Mal in der Woche wieder Schwurgerichtssaal 700 des Kriminalgerichts Moabit eingefunden.
Nach der aufschlussreichen Prozesserklärung des Ex-Vorstandes, der nunmehr im Insolvenzverfahren befindlichen Grüezi Real Estate AG, Roman D., zu den Tatvorwürfen des gewerbs- und bandenmäßigen Betruges am 10. Verhandlungstag, in der er erklärte, er habe keine herrschende Funktion in der Firmenstruktur innegehabt und er sei unschuldig, wird sich der ein oder andere Prozessbeteiligte sicher so seine Gedanken über die juristischen Probleme der Tatherrschaft gemacht haben.
Dazu blieb am 11. Verhandlungstag allerdings keine Zeit mehr, denn sofort wurden wieder die Klingen zwischen Verteidigung und Staatsanwaltschaft gekreuzt. Durch den Behördenleiter der Staatsanwaltschaft wurde noch einmal bekräftigt, dass die Ermittlungen korrekt geführt wurden und es keinerlei Veranlassung gäbe, die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft auszutauschen.
Das dies die Verteidigung wieder zu weiteren Erklärungen motivierte, war nicht überraschend, allerdings auch nicht wirklich zielführend.
Gleichwohl hatte das Gericht nunmehr alle Argumente zur Kenntnis genommen und zog sich zu einer Verhandlungspause zurück, um die Anträge der Verteidigung zu bescheiden. Nach dem Ende der Verhandlungspause wurden die Anträge der Verteidigung vom Gericht zurückgewiesen und auch noch einmal auf die entsprechenden Regelungen im Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) verwiesen. Insbesondere die Regelung des § 150 GVG ist dabei von besonderer Bedeutung: „Die Staatsanwaltschaft ist in ihren amtlichen Verrichtungen von den Gerichten unabhängig.“ Das bedeutet, sie ist Teil der Rechtspflege, aber keine Partei im Strafprozess. Das sollte natürlich auch die Verteidigung wissen.
Das Gericht gab weiter bekannt, dass Gutachter bestellt werden, die die Schuldfähigkeit des Angeklagten Marian B. beurteilen sollen.
In § 20 des Strafgesetzbuches (StGB) ist geregelt: „Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen Schwachsinns oder einer schweren anderen seelischen Abartigkeit unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.“ Damit werden die Rechte des Angeklagten gewahrt, denn nur wenn er zum Zeitpunkt der Tatbegehung schuldfähig war, ist eine Verurteilung möglich. Sollte seine Schuldfähigkeit vermindert sein, so kann die Strafe gemildert werden.
Nach einer kleinen Kontroverse mit der Verteidigung von Marian B. werden zweiGutachter bestellt, die sich im späteren Verlauf der Hauptverhandlung äußern werden.
Danach gingen die Scharmützel zwischen Verteidigung und Staatsanwaltschaft weiter. Noch laufen weitere Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt und die Verteidiger befürchten, dass dadurch Nachteile für die Angeklagten entstehen könnten. Von der Staatsanwaltschaft wird darauf verwiesen, dass natürlich jederzeit Akteneinsicht beantragt werden könne, man sich naturgemäß in diesem Verfahren aber nicht zu anderen Ermittlungskomplexen äußern werde. Dies ist natürlich nachvollziehbar, denn der Prozessstoff des Verfahrens ist von der Anklageschrift umfasst und nur über diesen wird verhandelt. Gestritten wird auch über das Prozedere der Akteneinsicht, bis das Gericht anbietet, die Akten im Gericht unter der Aufsicht eines Justizwachtmeisters einsehen zu können. Konfliktverteidigung pur!
Der besonnene und souveräne Vorsitzende Richter der Strafkammer ermahnt die Verfahrensbeteiligten dann noch einmal zur Ruhe und verweist darauf, dass es sich nicht um einen Parteienprozess zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung handelt. Er ruft noch einmal in Erinnerung, wer welche Rolle bei der Strafrechtspflege zu übernehmen hat und wie diese auszufüllen ist. Die neutrale Strafkammer hat die Entscheidungshoheit. Der Prozess möge emotionsfrei und ohne weitere Polemik fortgesetzt werden. Er hoffe, dass dies alle verstanden haben. Danach begeben sich die Prozessbeteiligten in die Mittagspause, um die erhitzten Gemüter abzukühlen.
Bei einem der Angeklagten hat die Mittagspause nicht gereicht. Er klagte über Kopfschmerzen und könne der Verhandlung nicht mehr folgen. Nach gutem Zureden ist zumindest noch eine weitere Stunde der Verhandlung zumutbar.
Im weiteren Verlauf der Verhandlung wird die Angeklagte Katja R. weiter befragt. Ihre Erinnerung ist teilweise lückenhaft bzw. sie kann sich gar nicht mehr erinnern. Dies mag nachvollziehbar sei, da sie bei einer Vielzahl von Firmen als Geschäftsführerin bestellt war und mit diversen Geschäftsprozessen betraut war. Ebenso äußerte sie sich wieder über ihr Verhältnis zu Marian B. und das sie unter seinen Stimmungsschwankungen zu leiden hatte. Zu den Ursachen des Verhaltens von B. werden sich dann auch noch die Gutachter äußern.
Die Verteidigerin des kopfschmerzgeplagten Angeklagten teilte mit, dass er nunmehr auf keinen Fall der Verhandlung mehr folgen könne. Das Gericht hatte ein Einsehen und beendete den Verhandlungstag.
Die Sitzung wird am 22.06.2015 um 9:15 Uhr im Saal 700 fortgesetzt und wir werden weiter berichten.