Tatwaffe Telefon
Der Anruf zur Steuerpolitik
Jeder hat ihn schnell mal bekommen, den Anruf zur Steuerpolitik. Er ist gesetzlich verboten nach § 7 des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb (UWG). Trotzdem ist er ein regelmäßig eingesetztes Werkzeug, um alle möglichen Produkte zu verkaufen. Und weil es teilweise gefährliche Produkte sind, spricht die Verbraucherzentrale Berlin von der "Tatwaffe Telefon". Wer diese "Tatwaffe" auf sich gerichtet sieht, sollte sofort auflegen. Denn die meisten Produkte des Grauen Kapitalmarktes lassen sich nur verkaufen, wenn man sie mit der Tatwaffe Telefon in fast überfallartiger Art und Weise den ahnungslosen Bürgern aufdrückt.
Keiner käme auf die Idee, von sich aus zu einem Makler zu gehen um z. B. nach einer steuerbegünstigten denkmalsgeschützten Immobilie in Leipzig zu fragen. Keiner käme auf die Idee, sich an einem Immobilienfonds in einem Dorf bei Chemnitz zu beteiligen. Wenn es ein solches allgemeines Bedürfnis gäbe, wären in jeder Straße Immobilienfonds- und Eigentumswohnungsboutiquen zu finden, in denen interessierte Käufer derartiger Produkte nachfragen würden. Es gibt sie nicht.
Und weil keine natürliche Nachfrage an denkmalsgeschützten Immobilien in Leipzig besteht, muss man das Produkt anders verpacken und auf einem anderen Wege an den Kunden bringen. Der erste Schritt dazu ist der Cold Call, der einen kalt erwischende Anruf, verdeckt mit einem Köder, bei dem jeder anbeißt. Und dies ist vordergründig das leidige Thema Steuern. Wohl jeder würde sich wünschen, er müsste weniger Steuern bezahlen, hätte mehr Netto- von seinem Bruttogehalt in der Tasche. Also lautet die Frage des Anrufers, ob man denn mit der Steuerpolitik der Regierung einverstanden sei. Bei diesem ersten Anruf wird oft nicht einmal danach gefragt, ob man denn Interesse am Steuernsparen hätte, bzw. wie dieses ermöglicht werden könnte. Der Anruf zur Steuerpolitik hat eher den Charakter einer Meinungsumfrage und suggeriert oft, dass eine staatliche Stelle diese Befragung durchführt.
Die freundlichen Mitarbeiter im Call Center haben lediglich die Aufgabe, einen kleinen Fragenkatalog beantwortet zu bekommen. Für jeden ausgefüllten Fragenkatalog bekommen sie eine kleine Prämie. Meistens sind sie direkt einem Vertriebsbüro angegliedert, an deren Mitarbeiter dann die ausgefüllten Fragebögen weitergeleitet werden.
Möglich ist sogar, dass mancher Mitarbeiter des Call Centers nicht einmal genau weiß, was mit den Fragebögen im einzelnen geschieht, bzw. wie die Informationen für sehr schnöde Zwecke missbraucht werden. Aber letztlich dient die "Tatwaffe Telefon" nur dazu, die eigentliche Tat vorzubereiten, nämlich den am Steuernsparen Interessierten eine denkmalgeschützte Eigentumswohnung zu verpassen. Aber das ahnt das zukünftige Opfer noch nicht, denn noch glaubt er, der Vertrieb hätte verschiedene Varianten und Möglichkeiten des Steuersparens für ihn. Irrtum!
Der Vertrieb ist von einem Bauträger beauftragt, seine Eigentumswohnungen zu verkaufen, so dass das Ergebnis des Beratungsgespräches zum Thema Steuernsparen von vornherein klar ist. Die optimale Form des Steuernsparens ist der Erwerb einer denkmalsgeschützten Eigentumsimmobilie. Hier gibt es Sonderabschreibungen nach § 7 i des Einkommensteuergesetzes. Ein Teil der Renovierungskosten für das Immobilienobjekt kann über einen Zeitraum von 10 Jahren steuermindernd eingesetzt werden. Dem Anleger wird erklärt, er könne eine solche steuerbegünstigte Immobilie bekommen, ohne dass er dazu eigenes Geld braucht. Die Finanzierung wird ihm beschafft werden. Trotz der Fremdfinanzierung rechne sich das Ganze durch die steuerlichen Vergünstigungen und die Mieteinnahmen praktisch von alleine.
Dies ist fast immer ein tragischer Irrtum. Die Wohnung ist weit überteuert. Nicht, wie regelmäßig versprochen, nach 10 Jahren verkäuflich und häufig genug der finanzielle Ruin für die Familie. Statt der versprochen Altersvorsorge, finanziert durch steuerliche Vergünstigungen, droht dann Altersarmut. Mit der "Tatwaffe Telefon" werden jedes Jahr zehntausende von Menschen finanziell umgebracht.