Immobilienmarkt Leipzig "Blühende Landschaften?"
Eine große Anzahl von Bauträgern im Schlepptau mit Strukturvertrieben, Notaren und Banken haben sich seit der Wiedervereinigung in den neuen Bundesländern daran gemacht, den Vorgaben des Bundeskanzlers zu folgen und blühende Landschaften entstehen zu lassen. Das auch politische gewollte Ziel war die Wiederherstellung und Sanierung des Altbaubestandes in den Innenstädten mit Hilfe von Steuermitteln.
Erblühen sollte auch Leipzig. Die Bausubstanz der Altbauten war aufgrund des Sanierungsrückstaus sehr marode. Zum „Blühen“ brachte man diese alten unter Denkmalschutz stehenden Häuser mit Hilfe von mehreren zehntausend Anlegern, überwiegend Klein- bis Mittelverdiener, die mit dem Versprechen von erheblichen Steuervorteilen geködert wurden. Den Anlegern wurde erklärt, es gäbe einen guten Weg um Steuern zu sparen und eine zusätzliche Altersvorsorge aufzubauen. Alles würde sich durch die Steuervorteile und die Mieteinnahmen fast von alleine tragen und es gäbe praktisch kein Risiko. Nach 10 Jahren könne man das Modell mit großem Gewinn wieder verkaufen, da Immobilien immer im Wert steigen würden. Ein risikoloses Geschäft!
Das Unheil begann in nahezu all diesen Fällen mit einem unbestellten Anruf („Cold Call“) zur Steuerpolitik. Es wurde gefragt, ob man denn mit der Steuerpolitik zufrieden sei, oder ob man nicht auch finde, zu viel Steuern zahlen zu müssen. Wer würde da mit Nein antworten. Nach anschließendem Hausbesuch und Verkaufsgespräch durch gut geschulte Mitarbeiter von Strukturvertrieben, waren die am Steuernsparen und an Altersvorsorge Interessierten innerhalb von 14 Tagen Eigentümer einer völlig überteuerten Eigentumswohnung, die keiner von ihnen wollte.
Von besonderer Bedeutung war bei allen uns bekannten Erwerbern, dass die Wohnung jederzeit, wenn auch nicht mit Gewinn, wieder verkauft werden kann. Nach dem oft unverhofften Notartermin beschafften die engagierten Vertriebsmitarbeiter schnell noch eine Finanzierung, damit auch der Kaufpreis, in dem auch die nicht werthaltigen Vertriebsprovisionen von 20% bis 30% enthalten sind, gezahlt werden konnte. Eine Bank hat regelmäßig keiner der Anleger von innen gesehen. Die Darlehensverträge, an die sie 30 Jahre gebunden sind, wurden bei ihnen zuhause oder in den Vertriebsbüros unterschrieben. Wären die Erwerber sowohl über die monatlichen Zuzahlungen und insbesondere über den tatsächlichen Wert der Wohnung aufgeklärt worden, hätte keiner von ihnen die Wohnung gekauft. Ein Skandal, wie wir finden.
In tausenden Fällen findet sich diese Vertriebsmethode, so dass von einem System auszugehen ist, das sich auch auf die Beurteilung der Immobilienwerte durch die Sachverständigen in den Gutachterausschüssen auswirkt.
Die Wertermittlung von Immobilien erfolgt auf der Grundlage der Wertermittlungsverordnung (WertVO) und den Wertermittlungsrichtlinien (WertR 76) sowie weiterer Bestimmungen. Ab 01.07.2010 tritt die ImmoWertV in Kraft, die dann zukünftig bei der Verkehrswertermittlung anzuwenden ist. Bei der Ermittlung des Wertes einer Wohnung kann mit dem Vergleichswertverfahren der Wert der Wohnung durch Vergleich der Kaufpreise vergleichbarer Wohnungen ermittelt werden. Da es für den Anleger aber darauf ankommt, ob sich die Investition in die Wohnung auch rentiert, also einen Ertrag erwirtschaftet, ist die Verwendung des Ertragswertverfahrens aussagekräftiger.
Die Abweichungen in den Ergebnissen sind gravierend, wenn man sich den Immobilienmarkt in Städten wie Leipzig oder auch Chemnitz genauer ansieht.
Es handelt sich um einen sogenannten Bauträgersondermarkt. Über 90 % der Verkäufe von Eigentumswohnungen erfolgen durch Bauträger. Nur 10 % der Verkäufe werden zwischen „normalen“ Käufern und Verkäufern durchgeführt. In der Statistik der alljährlich erscheinenden Marktberichte, bildet dann die Vielzahl der Einzelverkäufe das übliche Preisniveau ab. Die Kaufpreise werden dabei in 90% der Fälle also von Bauträgern bestimmt. In diesen Kaufpreisen sind Vertriebsprovisionen und der Unternehmergewinn von zusammen rund 50% enthalten. Bei einer Wertermittlung durch Sachverständige, die diese Kaufpreise als Vergleichspreise zur Ermittlung der Vergleichswerte heranziehen, wird letzten Endes nur festgestellt, dass alle Bauträger auf diesem Markt annähernd gleiche Preise verlangen.
Über den Wert der Wohnungen ist damit aber noch nichts gesagt. Dieser Wert ergibt sich bei der Betrachtung der Preise im Wiederverkauf, bei dem keine Provision und Unternehmergewinn anzusetzen ist. Dieser Wert orientiert sich ausschließlich am Ertragswert, dem, was mit einer Wohnung zu erwirtschaften und beträgt rund die Hälfte des Preises, der für eine Wohnung eines Bauträgers im Erstverkauf zu zahlen ist.
Auf der Basis der Sachverständigengutachten, in denen nur die Preise der Bauträger verglichen werden, entscheiden auch Gerichte darüber, ob die Grenze zur sittenwidrigen Kaufpreisüberhöhung erreicht wird. Das ist dann der Fall, wenn der Kaufpreis rund das Doppelte des Wertes der Wohnung beträgt.
Der Vorstand der SgK hatte bereits 2007 mit dem Vorsitzenden des Gutachterausschusses der Stadt Leipzig, Herrn Dipl.-Ing. Matthias Kredt, bezüglich dieser Problematik gesprochen.
Nach Aussage von Matthias Kredt habe man von den Dingen gehört, könne jedoch nicht verstehen, wie Leute so leichtfertig Eigentumswohnungen kaufen könnten. Allerdings sei dort aufgefallen, dass die um 1994 verkauften Wohnungen im Zweitverkauf wesentlich weniger bringen würden. Insofern wurde eine 100%ige Überteuerung festgestellt. Die Kaufpreise lagen 1994 im Schnitt bei 2000 €/m². Heute lägen sie bei 1.800 €/m². Im Zweitverkauf ergäben sich Kaufpreise in Höhe von 900-1.200 €/m². Als Blockverkauf (Paketverkauf) gilt der Verkauf von (ab) 3 Eigentumswohnungen (gleichzeitiger Verkauf). In solchen Fällen wird ein Vermerk gemacht.
Bei den in Rede stehenden Fällen der Verkäufe über Strukturvertriebe handelt es sich in der Regel (augenscheinlich) um Einzelverkäufe, so dass die Problematik zwangsläufig überhaupt keine Berücksichtigung findet. Tatsächlich werden so jedoch tausende von Wohnungen überteuert verkauft. Darauf wies der Vorstand der SgK hin.
Nach Aussage von Matthias Kredt seien als dauerhaft erzielbare Miete 6 €/m² angenommen worden. In guten Lagen 7 €/m². 90 % aller Verkäufe erfolgen über juristische Personen (GmbH). Der Rest, 10 %, sind Einzelverkäufe. Also Verkäufe von Einzelpersonen an Einzelpersonen gemäß Definition über den Verkehrswert von Immobilien gemäß WertV.