6 Akte

Der Weg zum (un)glücklichen Wohnungseigentümer in 6 Akten

Erster Akt: Tatwaffe Telefon


Wohl jeder hat schon diesen Anruf bekommen. Die Frage, wie man es denn mit dem Steuernsparen hält. Oft sind diese Anrufe neutral, lassen die wahre Absicht nicht erkennen. Es klingt wie eine Meinungsumfrage. Aber mit der Frage nach dem Steuernsparen weiß der Anrufer, ob der Angerufene Arbeit hat (sonst würde er keine Steuern bezahlen); die Frage nach der Steuerklasse offenbart, ob verheiratet oder nicht und damit, ob ein oder zwei potentielle Opfer warten. Wichtige Informationen für die Hintermänner, die den wahren Grund für diesen harmlosen Anruf kennen und aus skrupelloser Gewinnsucht handeln.


In großen Call-Centern sitzen oft junge unerfahrene Menschen. Sie telefonieren täglich zwischen 15.00 Uhr und 21.00 Uhr Telefonlisten aus Klick Tel ab. Für jeden ausgefüllten Fragebogen bekommen sie € 3,50. Und oft wissen sie gar nicht, was sie tun. Sie wissen nicht, dass sie mit diesem Anruf gegen ein Gesetz verstoßen, nämlich gegen § 1 des Gesetztes gegen unlauteren Wettbewerb. Sie wissen auch nicht, dass sie mit ihrem Anruf die Tür für jene öffnen, die die Angerufenen mit einer steuerbegünstigten Immobilieanlage "beglücken" wollen.

 
Dass man Interesse hat, Steuern zu sparen, werden viele der Angerufenen bestätigt haben. Wie das funktioniert, wird am Telefon nicht verraten. Oft wird nicht einmal gefragt, ob man sich denn mal unverbindlich über die Möglichkeiten des individuellen Steuernsparens beraten lassen möchte. Dieses wird regelmäßig erst bei einem nächsten Anruf angeschnitten. Ob man Steuern sparen kann, so erklärt der Anrufer, lässt sich natürlich erst nach Sichtung und Prüfung der Unterlagen klären. Dafür sei es erforderlich, dass man mal zu Hause bei dem Angerufenen vorbei komme und diese Unterlagen sichtet. Das alles sei völlig unverbindlich. Ganz seriös.

Zweiter Akt: Der Hausbesuch

 
Bei dem folgenden Hausbesuch schaut sich der freundliche Besucher die Lohnunterlagen an. Er möchte wissen, welche sonstigen vermögenserheblichen Verträge vorhanden sind. Lebensversicherungen, Rentenverträge, Bargeld. Weil der Besucher natürlich weiß, dass sein Opfer später eine Eigentumswohnung kaufen soll, sichtet er schon einmal alle Unterlagen, die für die spätere Bonität bei der Bank von Bedeutung sein können.


Eines wird er aber nicht tun: Er wird nicht sagen, dass es um den Erwerb einer Eigentumswohnung geht. Es wird geschwafelt. Es werden Nebelkerzen geworfen. Es wird von Beteiligungsmöglichkeiten an steuerbegünstigten Projekten erzählt. Der Staat könne das alles nicht selber bezahlen und deswegen biete er dem Bürger die Möglichkeit, seine Steuern umzulenken. Auch wird häufig suggeriert, dass nicht alle an diesen Projekten teilnehmen können. Es wird fast wie ein Privileg dargestellt, an solchen Steuerprojekten teilnehmen zu dürfen. Und es ist keineswegs ausgemacht, ob man zu diesem erlauchten Kreis gehört. Der Besucher nimmt dann die für die spätere Finanzierung der Eigentumswohnung erforderlichen Unterlagen mit. Damit das Ganze seriös aussieht, füllt er ein schönes Formular mit der Überschrift "Bestätigung über den Erhalt von Unterlagen gemäß Bundesdatenschutzgesetzt" aus. Vertrauen muss aufgebaut werden, sonst klappt später das eigentliche Geschäft nicht.

Dritter Akt: Das Opfer wird weich geklopft.

Besuch im Büro. Das Opfer ist regelmäßig beeindruckt. Alles riecht nach Gediegenheit und Geld. Ihm wird vermittelt, hier sitzen die Leute, die wissen, wie es funktioniert. Das Opfer sitzt jetzt dem "Meister" gegenüber, dem erfahrenen Verkäufer der weiß, wie er seine Opfer festnagelt. Es wird geredet, oft stundenlang.

Der "Meister" ist ein guter Psychologe. Er erzählt den Opfern von den Dingen, die sie hören wollen. Er erzählt ihnen, dass nicht nur die Reichen Steuern sparen sollten. Er weiß den Weg, wie auch "Normalverdiener" Steuern sparen können. Am besten geeignet sei der Erwerb einer Immobilie.

Immobilien sind sicher, wie vermeintlich jeder weiß. Geld würde doch durch die Inflation aufgefressen. Was ist die Rente heute noch wert? Immobilien wären über alle Generationen immer im Wert gestiegen. Deshalb Grundbuch statt Sparbuch. Der Erwerb der Immobilie sei durch den Wertzuwachs eine ideale Altersvorsorge. Entweder verkaufe man die Wohnung später oder man habe die Miete als zweite Rente.

Weil der Staat auch wisse, dass er die Renten nicht mehr halten kann, würde er das steuerbegünstigte Immobilienkonzept fördern. Deshalb könne man seine Steuern gleich in diese Form der Altersvorsorge investieren.

Man habe gerade ein ideales Objekt an der Hand. Denkmalgeschützt in Leipzig, Chemnitz oder sonst wo. Für den Erwerb der Wohnung brauche man kein eigenes Geld. Durch die steuerlichen Vergünstigungen und die Mieteinnahmen trage sich das Ganze praktisch von allein. Eine kleine Zuzahlung, vielleicht € 100,00 im Monat. So viel würde man doch auch für eine Lebensversicherung ausgeben. Eine Lebensversicherung würde allerdings nichts bringen. Die Wertzuwächse bei Immobilien seien viel höher, wie die Statistik beweist. Das von diesem Redeschwall überwältigte Opfer zeigt nur wenig Gegenwehr. Ein paar Fragen schwirren durch den Kopf. Ich kann mich doch nicht um die Vermietung kümmern? Und was ist, wenn ich keinen Mieter finde? Antwort: Kein Problem, unsere Hausverwaltung ist Spitze, Du brauchst Dich um nichts zu kümmern. Wir garantieren Dir, dass Deine Wohnung immer vermietet ist. Frage: Was ist, wenn ich mal arbeitslos werde? Antwort: Die € 100,00 hast du doch sowieso übrig. Ansonsten gibt es dafür auch eine Arbeitslosenversicherung, die wir gleich mit abschließen.

Der Trick ist folgender: Das Opfer kann so viele Fragen stellen wie es will. Jede Frage wird beantwortet. Einwandbehandlung nennt das die Verkaufspsychologie. Jeder Verkäufer lernt das und die Besten lassen dem Opfer keine Chance. Und wenn es keinen Einwand mehr gibt, dann ist das Opfer festgenagelt. Seine gute Erziehung verbietet dem Opfer das zu tun, was das einzig Richtige wäre: zu gehen. Ohne Kommentar zu gehen. Das kann es nicht, sodass sich jetzt der Vorhang für den nächsten Akt hebt.

Vierter Akt: Beim Notar. Es ist ja nur ein Angebot.

Weil nun alles klar ist, muss man sofort handeln. Wozu warten? Sonst schnappt ein anderer zu. Die üblichen Argumente: Es ist nur noch eine Wohnung frei. Die anderen Käufer stehen schon Schlange. Die Zinssätze sollen sich morgen erhöhen. Es ist ja nur eine Reservierung. Das ganze Geschäft wird natürlich erst zum Tragen kommen, wenn auch die Finanzierung steht.

Damit wird der Besuch beim Notar vorbereitet. Oft wird gewarnt, dass der Notar dumme Fragen stellen könnte, z. B. ob man denn das Angebot schon vor 14 Tagen gelesen habe. Das sind alles diese fürchterlichen Formalitäten und der ganze Papierkram, da müsse man durch. Wenn es Fragen gebe, dann solle man beim Notar den Mund halten. Das wird dann der "Meister" alles klären.

So geht es dann zum Notar. Der Notar verliest ein Kaufvertragsangebot. Das Opfer versteht nichts, rein gar nichts. Wir haben viele Fälle erlebt, wo das Opfer nicht einmal gewusst hat, dass er einen verbindlichen Vertrag bzw. ein verbindliches Angebot zum Erwerb der Wohnung abgegeben hat. Das Wort "Angebot" wird oft missverstanden. So wie Angebot im Schlussverkauf, das man annehmen kann oder auch nicht, oder es wird geglaubt, dass ein Angebot unterbreitet werde, aber nicht, dass man es selber abgibt.


Natürlich haben wir auch die Notare unter Verdacht, dass sie klammheimlich mitmachen. In Berlin gibt es nur eine handvoll Notare, die immer wieder den Vertrieben zur Verfügung stehen. Es sind immer dieselben. So liegt der Verdacht nahe, dass die Notare mit der reinen Verlesung der Urkunde dem Beurkundungsrecht nur formell genügen. Sie wollen nicht die Indizien zur Kenntnis nehmen, die auf einen überhasteten Vertragsabschluss deuten und auf einen überrumpelten Käufer.

Aber dieser notarielle Vertrag ist verbindlich. Das Opfer hat den Köder geschluckt, den der "Meister" ihm hingehalten hat. Er ist erst einmal in der Falle. Aus dieser Falle wieder herauszukommen, ist ohne die Hilfe eines erfahrenen Anwaltes fast unmöglich.

Fünfter Akt: Die Finanzierung.


Jetzt muss die Finanzierung beschafft werden. Das kann sich hinziehen. Zurzeit sind zwei Banken bereit, derartige Wohnungskaufverträge zu finanzieren. Das ist die DKB und die GMAC. Andere Banken halten sich deutlich zurück. Wenn dem Käufer Zweifel kommen, dann wird er von den Anlageberatern aus einer Mischung von Zuckerbrot und Peitsche bei der Stange gehalten. Der Zucker ist das tolle Geschäft, die große zukünftige Steuerersparnis, der stolze Immobilienbesitz, endlich zu denen zu gehören, die es auch geschafft haben. Die Peitsche ist der Hinweis darauf, dass der Vertrag unterschrieben ist und dass dieser Vertrag eingehalten werden muss, sonst kommt eine hohe Vertragsstrafe in Höhe von € 10.000,00 oder € 20.000,00 und mehr auf sie zu.

Regelmäßig kommt dann der Anruf, dass die Darlehensverträge jetzt bereit liegen. Man solle zum Unterschreiben kommen. Mit der Unterschrift beginnt dann eine nochmals zweiwöchige Widerrufsfrist des Darlehensvertrages. Wenn diese abgelaufen ist, zahlt die Bank aus. Der Verkäufer bekommt das Geld, das Geschäft ist durchgeführt.

Sechster Akt: Das Opfer. Ratlos und allein.



Für viele Opfer fangen jetzt die Probleme allerdings erst an. Sie finden sich mit ihrer Rolle als Eigentümer einer Eigentumswohnung, mit den Verpflichtungen gegenüber dem Finanzamt und mit vielerlei anderen Kleinigkeiten nicht zurecht. Wie man es ihnen angeboten hat, wenden sie sich vertrauensvoll an die Anlageberater. Die wollten doch immer da sein und alle Probleme lösen. Jetzt kommt meist das böse Erwachen. Dort ist niemand mehr zu sprechen. Anrufe werden nicht beantwortet. Keiner interessiert sich für die Sorgen. Der Vertrieb hat die Provision verdient. Das Opfer hat seine Schuldigkeit getan. Jetzt ist das Opfer nur noch eine Belastung, die man schnellstmöglich los werden muss. Dem Anleger kommen Zweifel, ob denn der gute Anlageberater wirklich in 10 Jahren da sein wird, um für ihn die Wohnung mit Gewinn wiederzuverkaufen. Unsere Antwort: Ganz gewiss nicht. Die Wohnung wird nicht mit Gewinn zu verkaufen sein.